Der schwarze Hund hat sich zusammengerollt und eingekuschelt. Wie jeden Abend leistet er mir beim Einschlafen Gesellschaft. Er liegt auf meinen kalten Füßen und wärmt sie. Nachher, wenn ich das Licht ausmache, wird er mit einem genervten Schnaufen aufstehen und sich in sein eigenes Bett verziehen. Dieses Ritual haben wir nie bewusst eingeübt. Es ist einfach da.
Ich habe ein Kissen im Rücken und tippe auf dem Smartphone rum.
Gelb. Orange. Pink.
„Hey. Was machst Du denn? Sind wir hier in der Disko oder was?“ beschwert sich Phil.
„Ich probier die neuen Schlafzimmerlampen aus“ antworte ich. „Die lassen sich per App und Sprachbefehl steuern.“
Ich tippe – und das Licht im Raum wird giftgrün.
„Bäh. Das ist ja ekelig.“
„Alexa. Mach das Licht blau.“
Blau.
„Zu kalt.“ kommentiert der Hund.
Ich tippe erneut und das Schlafzimmer färbt sich tiefrot.
„Bissl schlüpfrig, oder nicht?“ meint Phil.
Ich tippe. Violett.
„Advent. Passt.“
„Hmmm. Nee. Gefällt mir nicht. Wie wärs denn mit einem dunklen Orangerot?“
Zack. Orangerot.
„Joah.“ nickt der Vierbeiner. „Ganz angenehm. Hat was von Sonnenuntergang.“
„Wenn du willst, kann ich das Licht noch flackern lassen. Wie ein Kaminfeuer.“
Tipp. Kaminfeuer.
Phil schaut zur Decke. „So ist gut.“
Ich nicke.
„Fast wie dein Chef“ ergänzt der fellige Fußwärmer. „Nur leider nicht ganz so gut.“
„Bitte?“
„Dein Chef. Wenn der mit seiner Licht-App spielt, wird’s richtig krass.“
„Ach so“ grinse ich. „Mein Chef. Gott. Klar. Der hat die Sache mit den Farben und dem Licht ja auch erfunden.“
„Sag ich doch. Der hat’s drauf! Wenn der will, kann der Himmel in allen möglichen Farben leuchten. Da kommen deine smarten Lampen nicht ran. Der kann sogar wenn’s dunkel ist mit Licht zaubern. Weißt du noch? Der Sternenhimmel in Wales? Der hat geglizert und gefunkelt wie ein Meer aus Lichtpunkten in der Nacht.“
„Hach ja.“
„Die warmen Lichtstreifen im bunten Herbstwald. Oder das zarte Himmelblau über den Nordseewellen. Alter. Einfach nur schön. Atemberaubend.“ erinnert sich Phil und lächelt.
Ich lächele mit. Schwelge in Erinnerungen an lichtdurchflutete Tage.
„Naja.“ sage ich schließlich. „Beim Jahresendspurt scheint ihm die Kreativität so langsam auszugehen.“
„Beschwerst du dich gerade über Gott?“
„Natürlich nicht. Wobei. Vielleicht doch. Ein bisschen. In der letzten Zeit ist doch einfach alles nur dauergrau. Fahl und düster. Verhangen und kalt. Mir fehlt das Licht. Mir fehlen die Farben.“
Phil verdreht die Augen. „Nennt man auch Spätherbst. Und Winter. Du Jammerlappen.“
„Hey! Das ist mir durchaus bewusst. Ich spüre einfach, dass es mich irgendwie runterzieht, wenn da kaum noch Farben sind. Wenn es ständig düster ist. Bin halt mehr so ein Frühlingsmensch…“
„Wie wär’s denn“ meint Phil „wenn du die Sache anders angehen würdest?“
„Bitte?“
„Schau mal. Es gibt Zeiten, in denen alles hell und bunt ist. Und dann gibt’s Zeiten, die mehr so gräulich sind.“
„Ja?“
„Vielleicht hat dein Gott sich dabei was gedacht. Vielleicht steckt da ne Absicht dahinter.“
„Welche Absicht denn?“
„Liegt doch auf der Hand.“
„Erklär’s mir. Ich versteh’s nicht.“
„Die farbigen Zeiten. Die bunten und hellen Tage“ erklärt der Hund. „Die tun dir gut. Die laden deinen inneren Akku mit Energie und Freude auf. Stimmt’s?“
„Stimmt“.
„Die grauen Tage. Die zeigen dir, dass es nicht allein auf Gott ankommt. Sondern auch auf dich.“
„Häh?“
„Ist doch logisch: Die Farben sind auch an grauen Tagen noch da. Man sieht sie nur nicht. Weil es zu wenig Licht gibt, das sie leuchten lässt.“
„Mag sein. Aber was hat das jetzt mit mir zu tun?“
„Alles. Wenn’s dunkel ist, muss jemand das Licht anmachen. Dann kommen auch die Farben zurück. Wenn’s dunkel ist, erwartet Gott vielleicht, dass DU das Licht anmachst. Dass DU dafür sorgst, dass die Welt bunt leuchtet.“
„Ich?“
„Ja. Du. Und all die anderen Menschen. Darum geht’s doch in eurer Frohen Botschaft. Dass euer Gott Licht ins Dunkel bringt. Dass er euch bittet, es genau so zu tun. Wenn Ihr Farben wollt in eurer Welt – dann bringt Licht rein. So einfach ist das.“
„Und so schwer“ sage ich und denke dabei an all die Nachrichten der letzten Wochen.
„Mag sein.“ nickt der Hund. „Manchmal scheint es fast unmöglich, gegen das Grau der großen Welt anzuschwimmen. Und manchmal genügt das Lächeln eines Kindes – und die Welt wird hell und bunt.“
„Da ist was dran“ nicke ich und lasse das Licht im Schlafzimmer golden leuchten.
„Weißt du was, kleiner Hund?“
„Was?“
„Eben gerade hast du ein bisschen Licht reingebracht. Und Farbe. Danke Dir.“
#gesprächemitphil #licht #farben #herbst #winter #grau