Vier Zwerge, die Gerechtigkeit und die Tradition.

Disclaimer: Heute wird’s ziemlich theologisch. Falls Euch das zu viel ist, bitte weiterscrollen… 😉

„Alter“ rufe ich, nachdem ich die Presseerklärung der vier Bischöfe aus Eichstätt, Köln, Passau und Regensburg zum Abschluss der Weltsynode (LINK) durchgelesen habe.
„Regst du dich wieder auf?“ will Phil wissen.
„Aber sowas von!“ entgegne ich mit hochrotem Kopf.
„Diese nervigen vier Zwerge. Ich könnte…“
„Stopp!“ unterbricht der Hund meinen Wutanfall. „Einatmen. Ausatmen. Bringt doch niemandem was, wenn du hier abgehst, wie ein HB-Männchen. Bringt auch nix, wenn du mit Beleidigungen um dich wirfst.“
Ich atme. Ein. Aus.

„Besser?“ fragt der Hund.
„Nicht wirklich.“ antworte ich, krame mein Smartphone hervor und lasse das Lied „Gernegroß“ von Reinhard Mey in voller Lautstärke spielen. Das brauch ich jetzt.
„Jetzt besser?“
„Ein bisschen.“

„Wie wär’s denn“ schlägt der Vierbeiner vor, wenn du mir erklärst, was das Problem ist. So ganz grundlegend. Einfach mal laut denken. Soll ja manchmal helfen…“
„Okay“ schnaufe ich und überlege…

„Also.“ beginne ich. „Stell dir Folgendes vor.“
Phil schließt die Augen, legt die Ohren an und konzentriert sich.
„Da sind zwei Gruppen von Menschen. Zwei Gruppen, die für das gleiche Ideal stehen. Beide finden Jesus und seine Botschaft ziemlich cool.“
Der Hund nickt. „Check.“
„Beide Gruppen sagen „Wir glauben zu wissen, wohin der Jesus seine Kirche führen möchte.““
„Ist doch super“ meint Phil. „Dann können die beiden sich zusammentun…“

„So einfach ist das nicht“ sage ich. „Denn beide Gruppen haben komplett verschiedene Ideen davon, was Jesus für seine Kirche möchte.“
„Oha.“ runzelt Phil seine Augenbrauen.
„Eben. Da haben wir den Salat. Zwei Parteien, die behaupten, den Willen Gottes zu kennen. Die beiden streiten miteinander und finden einfach keinen gemeinsamen Nenner.“

Der schwarze Hund denkt nach.
„Naja“ meint er schließlich. „Das würde ja bedeuten, dass eine der beiden Gruppen auf dem Holzweg ist.“
„Eben!“ rufe ich.
„Da müsst ihr halt rausfinden, welche der zwei Parteien sich irrt.“
„Wenn’s so einfach wäre.“ sage ich. „Ist es aber nicht. Weil ich ja auch zu einer der beiden Seiten gehöre. Wie kann ich da objektiv sein?“

„Schwierig“ grummelt Phil. „Schwierig.“
Ich nicke.
Der Vierbeiner runzelt die Stirn. „Wobei.“ sagt er „Vielleicht ist es gar nicht so schwierig.“
„Wie meinst du das?“

„Naja. Euer Jesus ist doch ziemlich klar mit seiner Message.“
„Jaaah?!“
„Das könnte euch dabei helfen, den richtigen Weg zu finden.“
„Und wie?“

„Ganz einfach: Was ist denn der Kern der Botschaft von eurem Jesus?“
„Liebe Gott. Liebe Deinen Nächsten. Wie dich selbst.“ antworte ich.
„Und weiter?“ fragt Phil
„Dass Gott uns kennt? Dass er allwissend ist? Dass er gerecht ist?“
„Stopp.“ ruft der Vierbeiner.
„Ja?“
„Gott liebt. Und er ist gerecht. Die beiden gehören zusammen. Weil Ungerechtigkeit und Liebe sich gegenseitig ausschließen. Die sind inkompatibel miteinander.“

„Die Tradition“ rufe ich dazwischen. „Ich hab die Tradition vergessen.“
„Bitte?“
„Bei Kirchens spielt die Tradition eine zentrale Rolle. Zum Beispiel die Tradition, dass nur Männer Priester sein können. War schon immer so. Muss richtig sein.“
„Moment“ unterbricht mich der Hund.
Ich warte.
„Die Tradition ist euch wichtig.“ sagt Phil. „Die Frage ist: Steht sie VOR oder NACH der Gerechtigkeit?“
„Häh?“

„Carsten. Genau DAS ist doch der springende Punkt. Genau diese Frage müsst ihr klären. Was wiegt mehr? Die Tradition der Kirche – oder die Gerechtigkeit Gottes?“
„Die Gerechtigkeit Gottes“ antworte ich wie aus der Pistole geschossen.
„Eben.“ nickt Phil „Das denke ich auch.“
„Und wie hilft das jetzt bei der Einordnung der beiden Parteien?“ will ich wissen.

„Ist doch logisch“ sagt der Hund. „Nimm doch mal das Ding mit den Frauen.“
„Jaaa…“
„In über 2000 Jahren ist es eure Tradition geworden, dass ihr sie von der Priesterweihe ausschließt.“
„Jaaa…“
„Wird es dadurch richtig und gerecht? Hält das Stand? Auch dann noch, wenn schon der Apostel Paulus vor Ewigkeiten gesagt hat, dass es bei Jesus keinen Unterschied gibt zwischen Juden und Griechen, Freien und Sklaven, Frauen und Männern?“
„Nee.“ sage ich. „es ist und bleibt einfach ungerecht.“

„Eben.“ sagt Phil. „Da hast du deine Lösung.“
„Welche Lösung?“ frage ich?
„Na, die Lösung auf die Frage, welche der beiden Parteien auf dem Irrweg ist. Wenn vier gernegroße Zwerge laut schreien, dass die Tradition wichtiger sei, als die Gerechtigkeit Gottes. Wenn sie behaupten, seinen Willen zu kennen. Wenn sie darüber jammern, dass das Volk Gottes sich irrt, weil es Gerechtigkeit über Tradition stellt. Wenn sie mit Nebelkerzen um sich werfen und sich in der Opferrolle suhlen – nur, weil jemand sich wagt, die „Frauenfrage“ zu stellen… Dann können sie das gerne versuchen. Es ändert halt nichts dran, dass Gott gerecht ist. Dass er bedingungslos liebt. Dass sein Heiliger Geist auch noch nach 2000 Jahren Dinge zurechtrücken mag, die seine Kirche aus Traditionsgründen schlichtweg versemmelt hat.“

„Du meinst…?“
„Ja. Ich meine. Ich meine, dass Gottes Geist seine Finger im Spiel hat. Dass er bei der Synode in Deutschland und weltweit ziemlich deutlich gezeigt hat, dass Eure Kirche ein paar Baustellen hat, die anzugehen sind. Und ihr. Ihr könnt dem Geist Gottes den Mittelfinger zeigen und ihm was von Tradition erzählen. Oder ihr könnt mal ganz sachte in euch gehen. Den vielen Stimmen aus eurer Mitte Gehör schenken und sie ernst nehmen. Ihr labert immer was vom „Glaubenssinn des Volkes Gottes“ – davon, dass Gott in der Zeit wirkt und euch Wege zeigt. Wie wäre es denn, wenn ihr das mal ernst nehmen würdet. Auch dann, wenn der Geist euch und euer System in Frage stellt?!“

„Amen“ sage ich. „Das wäre echt cool. Eine Kirche, die bereit ist, zu hören. Synode hin oder her – ich glaub, da müssen wir noch viel lernen.“
„Und solange ihr noch lernt“ sagt Phil „lasst euch bitte nicht von ein paar albernen Zwergen verrückt machen, deren einziges Argument die Tradition ist. Die auf die Gerechtigkeit Gottes pfeifen und einfach nur laut sind.“

„Aber aufregen darf ich mich?“ frage ich.
„Darfst du.“ grinst Phil „Aber komm auch wieder runter. Ist besser für die Gesundheit.“

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