„Sag mal, Phil.“ wecke ich den Vierbeiner, der neben dem Schreibtisch vor sich hindöst.
Er hebt den Kopf und schaut mich fragend an.
„Du bist doch ein schlauer Hund, oder?“
„Na klar. Man munkelt, ich sei hochbegabt.“
„Dann kannst du mir bestimmt helfen.“
„Wobei denn?“
„Bei dieser Mail, die gerade reingekommen ist. Da geht’s um die Renovierung der Kreuzkapelle. Ich hab die jetzt drei mal gelesen. Aber ich kapiers nicht.“
„Okay. Lass hören.“
„Bei Ausführung der Wetterschutzverschalung“ lese ich vor „sind die losen Gefache durch Auskeilen gegen die verschraubte Schalung und gegen die geschädigte Schwelle zu sichern. Die stark geschädigten Pfosten- und Strebenfußpunkte sind ebenfalls gegen die geschädigte Schwelle soweit als möglich kraftschlüssig auszukeilen…“
„Hmmm.“ überlegt der Hund. „Joah. Also. Vielleicht. Ähm… Nee. Oder. Doch. Klar.“
„Bitte?“
„Du musst auskeilen. Steht da doch. Klar und deutlich.“
„Was?“
„Auskeilen. Mit nem Keil. Oder nem Keilapparat. Oder nem Keilerwerkzeug. Einfach machen. Keine große Sache.“
Phil nickt wissend und rollt sich wieder auf seiner Decke ein. „Wie gut, dass du mich hast.“ murmelt er. „Ohne mich wärst du echt aufgeschmissen.“
Ich verdrehe die Augen, schnaufe laut und vergrabe den Kopf in den Händen.
„Alter. Das nervt. So langsam hab ich echt keinen Bock mehr.“ beschwere ich mich.
Phil steht auf, trottet zu mir hin und legt seinen Kopf in meinen Schoß.
„Das regt dich auf, gell?“
„Ja. Aber sowas von. Ständig muss ich mich um Zeugs kümmern, von dem ich null Ahnung habe.“
„Wieso keine Ahnung? In den letzten fünf Jahren bist du pausenlos am renovieren, sanieren und reparieren. Mittlerweile kennst du dich doch ganz gut aus auf’m Bau.“
„Schon. Irgendwie. Learning by doing nennt man das.“
„Wo ist dann das Problem?“ will Phil wissen.
„Das Problem ist, dass es in keiner einzigen Vorlesung an der Uni jemals ums Auskeilen ging. Oder um Wetterschutzverschalungen. Ich kann mich auch an keine Fortbildung zum Thema Gebäudemanagement erinnern. Oder Statik, Blitzschutz, Schimmelbefall an Kirchenorgeln und Vorschriften zur Arbeitssicherheit in Kita-Küchen. Da gab’s auch keinerlei Input in Sachen Finanzverwaltung und Wirtschaftlichkeitsanalysen. Lauter Zeugs, um das ich mich kümmern muss. Für das ich die Letztverantwortung trage und gerade stehen muss. Weil ich der leitende Pfarrer bin.“
„Naja.“ kichert Phil. „Immerhin bist du geweiht. Und mit der Priesterweihe kommt doch automatisch alles Wissen vom Himmel, das du brauchst, um den Laden zu rocken.“
„Haha. Witzig. Nicht.“ entgegene ich trocken.
„Jetzt stell dich nicht so an“ meint Phil. „Immerhin wirst du echt gut bezahlt für deinen Job.“
„Na super. Ich werde gut dafür bezahlt, etwas zu machen, das echte Profis tausendmal besser hinbekommen würden. Im Gegenzug habe ich kaum Zeit, mich um das zu kümmern, was ich wirklich gelernt habe. Das, wozu ich eigentlich da bin.“
Stille.
Phil und ich hocken da und schweigen.
„Vielleicht“ sagt Phil schließlich „gibt’s da ein klitzekleines strukturelles Problem in deiner Firma.“
„Ach ja?“
„Jepp. Dieser Gedanke, dass ein Weiheritus einen Mann zu einem Allzweckwerkzeug macht, das jedes Problem mal eben so lösen kann. Der könnte möglicherweise minimal an der Realität vorbeigehen.“
„Du meinst, ich bin kein Mac Gyver?“
„Nee“ prustet Phil. „Ich hab dich echt lieb, Carsten. Aber ein Mac Gyver bist du wirklich nicht. Weihe hin oder her. Es gibt so ein paar Sachen, die du echt gut kannst. In anderen Bereichen sollte man besser die Profis ranlassen…“
„Sag das mal den Jungs in Rom. Und all den Kollegen, die meinen, sie wären Mac Gyver 2.0 und könnten die Welt retten, weil Gott sie zu priesterlichen Alleskönnern gemacht hat…“
„Du, Carsten?“
„Ja, Phil?“
„Ihr Theologen. Ihr labert doch immer wieder über Charismen. Über Begabungen. Darüber, dass jeder Mensch seine ganz eigenen Begabungen und Fähigkeiten mit sich bringt. Und dass die von Mensch zu Mensch unterschiedlich sind.“
„Ja…“ sage ich und warte.
„Wie wäre es denn – nur mal so, als völlig bekloppte Idee – wenn Ihr das ernst meinen würdet? Wenn Ihr Euch von diesem absurden und albernen Gedanken lösen würdet, dass Priester alles können. Wenn Ihr einfach mal all die Begabungen nutzen würdet, die tatsächlich da sind. Unabhängig von Weihestatus und Geschlecht. Wenn Ihr Aufgaben und Zuständigkeiten nicht nach Amt und Würde, sondern nach Können und Wissen verteilen würdet. Das könnte doch echt ein Durchbruch sein, oder?“
„Ach Phil. Auf diese Idee sind schon unzählige Leute vor dir gekommen. Und es ist nichts passiert. Stattdessen wird nach wie vor in Versammlungen und auf Synoden darüber gestritten, auf welchen Ebenen Frauen und Mädchen mitspielen dürfen. Unser Papst schwadroniert am laufenden Band darüber, wie wichtig und toll Frauen sind. Dass sie alle möglichen Fähigkeiten haben – außer jener, Priester zu sein. Dazu sind sie nicht fähig. Brüste halt…“
„Boah, Carsten“ unterbricht mich Phil. „Pass auf, dass du sowas nicht öffentlich sagst. Klingt ziemlich despektierlich.“
„Despektierlich?“ rege ich mich auf. „Ich find’s eher armselig. Da sind so viele Ressourcen. So viele Schätze und Begabungen, die wir heben und nutzen könnten…“
„Kann schon sein“ meint der Hund. „Dazu müsstet ihr aber dem Heiligen Geist ein bisschen mehr zutrauen.“
„Müssten wir.“ bestätige ich. „Das Problem ist: Der Heilige Geist ist in der Bibel dummerweise weiblich. Da sollte man ein bissl vorsichtig sein…“
„Ahso. Verstehe. Und jetzt?“
„Naja. Jetzt werd ich erst mal unsere Architektin anmailen und fragen, wer sich um das Auskeilen der Gefache der Wetterschutzverschalung kümmern kann…“
„So machen wir das.“
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