Ein Wünderchen

„Ein Wunder!“ jauchze ich begeistert. „Ich hab ein Wunder vollbracht!“
„Ein Wunder!“ jubelt der schwarze Hund. „Du hast ein Wunder vollbracht!“
Vor lauter Freude wälzt Phil sich ausgiebig im Dreck.
„Mach mit“ ruft er mir zu „das muss gefeiert werden!“
Dankend verzichte ich. Bin ja auch so schon schweißgebadet und dreckverschmiert…

Nachdem der Vierbeiner sich fertiggewälzt hat, hüpft er hechelnd auf mich zu und schaut mich an. „Kleine Frage. Wo ist das Wunder?“
„Schau her“ sage ich voller Stolz und zeige auf acht frisch eingetopfte Pflanzen.
„Ähhhhhm.“ Phil wirft mir einen kritischen Blick zu. „Blumen. Toll. Ganz toll.“
„Genau. Krass, gell?!“

Der Hund lupft die Augenbrauen. „Aber wo ist es denn, dein Wunder?“
„Siehste nicht? Schau mal genau hin.“
Phil zählt nach: „Zwei Palmen. Vier Sukkulenten. Zwei Keine-Ahnung-aber-sind-ganz-nett-Gewächse.“
„Eben!“
„Alter. Ich versteh’s immer noch nicht. Wo ist das Wunder?“

„Schau mal“ erkläre ich. „Vorhin waren es noch fünf Pflanzen. Die hab ich ausgetopft und umgetopft und geteilt. Jetzt sind es Acht: Zwei Palmen statt einer. Vier Sukkulenten statt zwei. Und jede einzelne davon ist wunderschön.“
„Joa.“ Phil scheint zu überlegen, wie und was er sagen will. „Joa. Hast du fein gemacht. Dir ist aber schon klar, dass das auf der Wunderskala maximal Level 0,5 ist, oder?“
„Hey.“ beschwere ich mich. „Ich hab aus fünf Pflanzen acht gemacht. Das ist schon ziemlich geil!“
„Naja. An die wundersame Brotvermehrung kommt das nicht so ganz ran.“
„Bin ja auch nicht Jesus“ schmolle ich.
„Ein Anfang isses. Durchaus.“ besänftigt der Hund.

„Also ich find’s cool.“ sage ich. „Klar. Ist nicht die Welt. War auch nicht das Ziel. Ein echter Gärtner hätte es wahrscheinlich besser gemacht. Kann gut sein, dass die Pflanzen in ihrer neuen Erde gar nicht richtig angehen. Das werden wir dann in den nächsten Wochen sehen. Aber jetzt – ist es einfach nur schön.“

Langsam trottet Phil zu den Pflanzen hin und beschnuppert sie ausgiebig. „Hmmm.“ murmelt er.
„Was?“
„Die sehen tatsächlich nett aus. Kein welkes Laub. Alle in frischer Erde. Hübsch.“
Ich lächele.

„Ein Wunder würd ich’s nicht unbedingt nennen. Vielleicht ein Wünderchen.“
„Ein Wünderchen. Damit kann ich leben.“ nicke ich.
„Möglicherweise“ ergänzt der Hund „kommt es ja genau da drauf an. Vielleicht geht es gar nicht um die großen Wunder. Sondern um die kleinen Dinge, die einer pflanzt und sich dabei die Hände dreckig macht. Die dann vielleicht wachsen. Und manchmal auch nicht.“

Schweigend stehen wir vor den Blumentöpfen.
„Ja.“ sage ich. „Da ist was dran. Manche Dinge wachsen. Andere nicht. Und am Ende zählt, dass wir nicht aufhören, mit den Händen in der Erde zu graben. Dass wir versuchen, das Beste aus dem zu machen, was uns gegeben ist.“

„Du, Carsten?“
„Ja, Phil?“
„Ich wünsch dir, dass Gott da seinen Segen drauflegt. Auf die Dinge, die du umtopfst und gießt und beackerst.“
„Danke, Kleiner.“
„Gerne doch.“

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