Unter Campern

„Wer suchet, der findet“ kommentiert der schwarze Hund mein Gewusel. Gekonnt ignoriere ich den Vierbeiner und setze die Suche im Chaos des Pfarrhauskellers fort. Irgendwo muss es doch sein, dieses blöde Ding.

„Voilá. Gefunden!“ rufe ich und halte triumphierend eine große kreisrunde Tasche in die Höhe.
„Juhu!“ jubelt Phil und schnuppert aufgeregt daran. Im Gegensatz zu mir freut er sich nur kurz. „Da sind gar keine Leckerlies drin“ stellt er enttäuscht fest.
„Keine Leckerlies. Ein ganzes Haus!“
„Ein Haus?“
„Naja. So ähnlich. Da ist ein Zelt drin. Quasi ein Einraumhaus. Total praktisch, das Teil.“
Phil wirft mir einen zweifelnden Blick zu und schweigt vielsagend, während wir nach oben gehen.

„Und was machst du jetzt mit diesem Einraumzelthaus?“ will er wissen.
„Das nehme ich am Wochenende mit in die Kirche und baue es dort auf.“
„Manchmal“ murmelt der Hund „frag ich mich ja, ob bei dir alles in Ordnung ist. Wieso um alles in der Welt baust du in der Kirche ein Zelt auf?!“
„Weil ich den Leuten damit was deutlich machen will.“
„Und das wäre?“

„Wir Christen bauen seit Ewigkeiten große und prächtige Kirchen“ erkläre ich. „Da stecken wir Unmengen Energie und auch Geld rein.“
„Klar“ nickt der Vierbeiner. „Ihr baut Häuser, in denen ihr zusammenkommt und in denen Gott wohnt. Ist doch ne coole Sache.“
„Und genau da wird’s schräg.“ werfe ich ein.
„Wieso?“
„Weil die ganzen schönen und wertvollen Kirchen unseren Denkhorizont einengen. Und weil wir Gott damit kleiner machen, als er ist.“
„Häh?“

„Schau mal. All die Kirchengebäude führen dazu, dass viele Christen denken, dass sie dorthin gehen müssen, um Gott zu begegnen.“
„Ist das etwa falsch?“ unterbricht der Hund.
„Falsch ist es nicht. Es ist halt nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte verlieren wir dabei gerne mal aus dem Blick.“
„Welche andere Hälfte?“

„Wenn du dir die Bibel anschaust, wirst du feststellen, dass die andauernd von Menschen erzählt, die auf dem Weg sind. Adam und Eva. Moses in der Wüste. Auch Jesus war ständig auf Achse. Denen waren Kirchengebäude und so’n Kram ziemlich wurscht. Denen war etwas Anderes viel wichtiger.“
„Das wäre?“
„Dass Gott mit ihnen unterwegs ist. DAS war ihnen wichtig. Dass Glaube etwas mit Unterwegs-Sein, mit Bewegung zu tun hat. Dass weder Gott noch unser Glaube an ihn etwas Statisches sind.“

Der schwarze Hund denkt nach. „Aber warum ein Zelt?“ fragt er schließlich.
„Weil ein Zelt genau das deutlich macht: Dass Gott mit uns unterwegs ist. Dass er sein Zelt dort aufschlägt, wo wir gerade sind. Weil es ihm wichtig ist, in unserer Nähe zu sein.“
„Schöner Gedanke“ murmelt mein Gefährte.

„Außerdem“ ergänze ich „wird schon in der Bibel von Zelten erzählt. Als Moses in der Wüste unterwegs ist, baut er keine Tempel, keine Synagogen und keine Kirchen. Er hat ein Zelt dabei. Überall, wo er Halt macht, baut er es auf und trifft sich dort mit Gott. Selbst heute noch findest du in jeder katholischen Kirche auf der Welt ein Zelt.“
„Also ich hab bisher in keiner deiner Kirchen ein Zelt gesehen.“ kommentiert Phil.
„Leider. Weil man’s nicht mehr so gut erkennt. Es ist aber da.“
„Wo?“
„Der Tabernakel. Dieser kleine Kasten, in dem wir den Leib Jesu aufbewahren. Das ist ein Zelt. Tabernaculum ist das lateinische Wort für Zelt. Oder für Hütte. Ein Zelt für Gott.“
„Blöd nur“ meint Phil, „dass diese Tabernakel in der Regel ziemlich fest und unbeweglich in euren Kirchen eingebaut sind.“
„Eben.“ sage ich.

„Und jetzt?“ will der Hund wissen.
„Jetzt nehme ich mein Wurfzelt mit in den Gottesdienst und baue es dort auf. Um den Leuten zu erklären, dass Gott eben nicht nur in der Kirche da ist. Sondern, dass er mit uns unterwegs ist. Mit seinem Zelt. Verstehst du, was ich meine?“

„Ja.“ antwortet Phil mit einem nachdenklichen Lächeln um die Schnauze „Vielleicht ist er da manchmal sogar mehr als in euren Kirchen. Vielleicht ist er jetzt gerade dort draußen. Bei den Junkies. In den Slums. Bei den Einsamen. Auf’m Straßenstrich. Mitten in der Welt. An der frischen Luft. Unter’m freien Himmel. Mit seinem kleinen alten Wurfzelt. Ganz ohne Gold und Pi-Pa-Po.“
„Ganz ohne Gold und Pi-Pa-Po.“ nicke ich.

„Sag mal, Carsten…“
„Ja, Phil“
„Meinst du, wir können Gott dort mal besuchen? In seinem Zelt? Ne Flasche Deidesheimer Herrgottsacker zischen und ein paar Leckerlies abstauben?“
„Aber klar doch. Camper sind gastfreundlich. Gott erst recht.“
„Prost.“
„Amen.“

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