Atemlos durch die Nacht

Es ist zwei Uhr. Mitten in der Nacht.
Ein seltsames Geräusch weckt mich aus dem Tiefschlaf.
Das sind doch Schritte.
Mit einem Ruck sitze ich im Bett. Hellwach.
Blind. Weil es stockfinster ist.
Weil ich ohne Brille ohnehin nichts sehe.

„Trapps, Trapps, Trapps“.
Doch. Da ist jemand im Haus.
Jemand kommt die Treppe hoch.

Adrenalin schießt durch meine Adern.
Barfuß und halbnackt stürze ich aus dem Bett, stürme zum Lichtschalter.
Ein Urschrei hallt durch’s Pfarrhaus.
„Uaaaahhhhh. Halloooooo?! Wer ist da im Haus?!!!“

Als ich das Licht im Flur anschalte, steht ein schwarzes Wesen vor mir.
Es duckt sich und schaut mich fragend an.
Völlig verunsichert und überfordert stehen Hund und Herrchen sich gegenüber.
Auge in Auge.

Ich brauche einen Moment, denn mein Körper war schneller als mein Gehirn.
Letzteres muss die Situation erst mal verarbeiten und checken.
„Alter. Was’n mit dir los?“ fragt Phil. „Hör auf, so rumzuschreien. Das ist ja gruselig.“
„Ey.“ schnaufe ich zurück. „Ist doch kein Wunder. Ich dachte, da kommt ein Einbrecher die Treppe rauf.“

Der Kreislauf meldet sich zu Wort. Mir ist schwindelig. Und schlecht.
Ich halte mich am Geländer fest, damit ich nicht umkippe.
„Erde an Carsten“ ruft der Hund.
„Häh?“
„Ich muss raus!“
„Jetzt? Mitten in der Nacht.“
„Mach schon. Sonst gibt’s ein Unglück!“

Ich folge dem Vierbeiner und öffne die Haustür.
Wie ein geölter Blitz rauscht Phil an mir vorbei.
Die nächsten Minuten stehen wir beide da.
An der Straße. Mitten in der Nacht.
Der Eine verteilt seinen Durchfall im Grün.
Der Andere wartet in Boxershorts vor dem Pfarrhaus und hofft inständig, dass jetzt kein Auto vorbeifährt.

Wir haben Glück. Das nächtliche Spektakel bleibt zeugenlos.
Am nächsten Morgen fahre ich in den Supermarkt und besorge dem Hund eine Packung Reis und zwei Gläschen Karotten-Babybrei. Für den Magen.

„Weißte, Carsten“ meint Phil. „Alles hat seine Zeit. Manchmal ist es wichtig, gut auszusehen und fein gekleidet dazustehen. Und manchmal ist dieses ganze Außenrum völlig wurscht. Ob im feinen Zwirn oder in Boxershorts. Hauptsache, du bist da.“
„Naja“ antworte ich. „War halt mal was Anderes. So atemlos. In der Nacht…“

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