Schwachstelle der Demokratie?

Der schwarze Hund und ich sind mal wieder im Wald unterwegs. Heute gehen wir die Wurzelbuchenrunde. Knapp 6 km über Stock und Stein. Auf der Hälfte der Strecke machen wir eine Pause. Ich setz mich auf eine Bank und genieße den Ausblick über die Wälder. Phil streunert durch die Büsche und mampft Grashalme. Irgendwann scheint er satt zu sein und legt sich schmatzend neben mich in den Schatten.

„Diese Europawahlengeschichte. Eins versteh ich nicht“ murmelt er gedankenverloren vor sich hin.
„Was verstehst du nicht?“
„Da ist doch ein Fehler in eurer Demokratie drin“
„Ein Fehler?“

„Na, die Idee ist doch, dass in einer Demokratie möglichst viele verschiedene Meinungen und Positionen dastehen dürfen…“
„Korrekt.“
„…und dass die Menschen miteinander diskutieren und gemeinsam nach Lösungen suchen, die für möglichst alle möglichst gut sind.“
„Auch korrekt.“
„Es geht also um Rücksichtnahme, Toleranz und Kompromisse.“
„Das ist die Grundidee.“
„Wie kann es dann sein, dass eine rechtsextreme und intolerante Partei so viele Stimmen erhält? Warum darf die überhaupt mitspielen?“

Ich zucke mit den Schultern.
„Vielleicht ist das ja sowas wie eine Schwachstelle der Demokratie?!“
„Ist das jetzt ne Frage oder ne Antwort?“ will der Hund wissen.
„Weiß nicht so recht. Ich meine, könnte ja sein, dass sich genau an dieser Schwachstelle zeigt, wie stark und lebendig eine Demokratie in Wahrheit ist.“
„Kapier ich nicht.“

„Na schau mal. Eine Demokratie ist lebendig, wenn sie Vielfalt zulässt. Das ist ihre große Stärke. Gleichzeitig ist das ihre große Schwäche. Weil unter all den Positionen und Ansichten auch welche sind, die die Demokratie selbst in Frage stellen. Eine starke Demokratie sollte das aushalten…“

Der Vierbeiner steht auf und grummelt.
„Ich sag‘s doch. Für mich klingt das nach nem Designfehler in eurer Demokratie. Ne Sollbruchstelle. Und wenn ihr nicht aufpasst, wird die ausgenutzt. Von Parteien, die das System missbrauchen, um ihm auf „demokratischem“ Weg den Stecker zu ziehen…“

„Jepp. Da sollten wir echt gut aufpassen. Hatten wir übrigens schon mal“ sage ich und krame mein Smartphone aus der Tasche.

„Was machst‘n jetzt?“ will der Hund wissen.
„Ich suche nach nem Zitat von Joseph Goebbels.“
„Dein Ernst?“
„Jepp. Warte mal ab.“

Der schwarze Hund wartet mit düsterer Miene, während ich hoffe, dass meine Internetsuche nach Nazicontent mir nicht den Algorithmus versaut. Auf den Unterseiten des Bundesverfassungsgerichtes werde ich schließlich fündig.

„Da ist es. 30. April 1928 sagt Goebbels: „Wir sind doch eine antiparlamentarische Partei, lehnen aus guten Gründen die Weimarer Verfassung (…) ab. (…) Was also wollen wir im Reichstag? Wir gehen in den Reichstag hinein, um uns aus dem Waffenarsenal der Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen. Wir werden Reichstagsabgeordnete, um die Weimarer Gesinnung mit ihrer eigenen Unterstützung lahm zu legen. Wenn die Demokratie so dumm ist, uns für diesen Bärendienst Freifahrkarten und Diäten zu geben, so ist das ihre eigene Sache. (…) Wir kommen nicht als Freunde, auch nicht als Neutrale. Wir kommen als Feinde! Wie der Wolf in die Schafherde einbricht, so kommen wir. Jetzt seid ihr nicht mehr unter euch!““

Phil sitzt mit offenem Maul da, lässt das Zitat sacken und starrt in die Leere.
„Alter.“ schnauft der Hund. „Die haben tatsächlich die Schwachstelle der Demokratie gefunden und sie voll ausgenutzt.“
„Mit allen Folgen.“ ergänze ich.
„Mir wird übel.“ flüstert der Hund.

„Übrigens“ ergänze ich „Björn Höcke hat bei einem AFD-Treffen 2018 gesagt „Heute lautet die Frage Schaf oder Wolf. Und ich, liebe Freunde, meine hier, wir entscheiden uns in dieser Frage: Wolf.“

„Du, Carsten?“
„Ja, Phil?“
„Meinst du, eure Demokratie ist stark genug?“
„Ich hoffe es“, antworte ich.
„Immerhin haben im Osten fast 30 % der Menschen die Rechten gewählt.“
„Stimmt. Das bedeutet, dass knapp 70 % sie nicht gewählt haben. Das macht mir Hoffnung.“

Phil nickt leise.
„Lass uns weitergehen“, sagt er.
„Lass uns weitergehen.“

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