Fronleichnam?

„Ich muss da nochmal nachhaken.“
Mit forsch-fragendem Blick steht der Hund vor mir und runzelt die Stirn (soweit ich das unter dem schwarzen Fell erkennen kann).
„Was musst du nachhaken?“
„Diese Sache mit Fronleichnam. Die raff ich einfach nicht.“
„Na dann. Was willst du denn wissen?“

Phil setzt sich auf seine Decke und räuspert sich.
„Also. Bei diesem Fronleichnamsdingens hast du ein goldenes Teil in der Hand. Mit nem runden Keks drin. Dann sind da vier Leute, die so ne Art Stoffsegel über dich halten, damit du nicht nass wirst und keinen Sonnenbrand kriegst. Du läufst durchs Dorf und die Leute latschen hinter dir her. Dabei spielt der Musikverein und ihr singt. Zwischendurch macht ihr immer wieder mal ein Picknick, bei dem es weder was zu Essen noch zu Trinken gibt. Ihr betet. Du fuchtelst mit dem Golddingens rum und ihr zieht weiter. Zum Schluss gibt’s dann Fleischkäsweck und Bier. Und das alles hat was mit nem frohen Leichnam zu tun.“
„Also…“ setze ich an, werde jedoch vom Vierbeiner unterbrochen. „Ich mein. Will ja nicht deine religiösen Gefühle verletzen. Aber ein bisschen schräg ist das schon, oder?“ ergänzt er.

„Okay“ sage ich und hole erst mal tief Luft. „Irgendwie hast du ja Recht.“
„Sag ich doch.“
„Darf ich ausreden?“
„Klar. Bin gespannt.“

„Du hast Recht, was das äußere Erscheinungsbild betrifft. Wenn man nicht weiß, worum’s geht, ist dieses Fest schon irritierend. Das gilt übrigens für viele alte Bräuche. Wenn man den Sinn dahinter nicht kennt, sehen sie schräg aus.“
„Worum geht’s denn beim frohen Leichnam?“
„Fronleichnam. So heißt es richtig. Das ist ein Begriff aus dem Mittelalter. Heute würde man eher sagen, es ist das Fest des lebendigen Herrenleibes. Hat also nix mit Leichen zu tun. Ganz im Gegenteil.“
„Naja. Lebendiger Herrenleib klingt jetzt nicht wirklich nach nem Begriff, mit dem man Leute vom Hocker reißt.“
„Joa. Möglicherweise sollten wir uns da echt mal nen neuen Namen überlegen.“
Der Hund kichert. „Möglicherweise…“

„Das goldene Dingens heißt Monstranz“ erkläre ich weiter „Das ist ein Gerät, in dem wir die Hostie, also den Leib Jesu, durch die Straßen tragen. Wir glauben nämlich dran, das Jesus darin gegenwärtig ist. Damit wollen wir zeigen, dass es unsere Aufgabe ist, ihn und seine frohe Botschaft in die Welt zu tragen.“
„Carsten!“ unterbricht mich Phil mit ernster Stimme.
„Was?“

„Merkst du denn nicht, dass du gerade völlig verschwurbeltes Fachchinesisch von dir gibst? Monstranz? Der Leib Jesu in nem Keks? Gegenwärtig? Welcher normale Mensch, der kein Insider in eurem Club ist, soll das denn bitte verstehen?“
„Ach Phil. Da hast du schon wieder Recht.“
„Sag ich doch. Bin halt ein schlauer Mischling. Magst du mir zur Belohnung den Po kraulen?“

Während ich gedankenversunken den Allerwertesten des Vierbeiners kraule (Hunde lieben das), meldet dieser sich wieder zu Wort.
„Weißt du. Dieses ganze Theologen-Fachchinesich ist ja bestimmt total wichtig und wertvoll. Aber stell dir mal vor, deine Hausärztin würde dir nur Medizin-Chinesisch um die Ohren hauen. Würd dir halt nix bringen. Weil du’s nicht verstehst. Eine gute Ärztin erklärt die Dinge so, dass die Patienten verstehen können. Da könnt ihr Kirchenleute euch mal ne Scheibe abschneiden. Ich mein – wenn’s euch wirklich wichtig ist, solltet ihr doch so reden, dass die Menschen was mitnehmen können?!“

Ich unterbreche die Krauleinheit und blicke in die Leere. „Ja“ murmele ich.
„Komm schon. Einen Versuch geb ich dir noch“ fordert Phil mich heraus.

„Okay. Schau mal… Jesus hat damals seinen Freunden versprochen, dass er immer bei ihnen sein wird. Ganz besonders dann, wenn sie sich treffen und Abendmahl feiern. Deshalb glauben wir dran, dass Jesus in dem Brot, das wir teilen, gegenwärtig ist.“
„Gegenwärtig?“
„Dass er da ist. Irgendwie.“
„Aha.“

„Er hat seine Freundinnen und Freunde auch darum gebeten, seine Frohe Botschaft weiter zu erzählen. Also seine Message davon, dass Gott jeden Menschen bedingungslos liebt.“
„Auch uns Tiere?“
„Auch euch Tiere.“
„Gut so.“

„An Fronleichnam versuchen wir das zu zeigen. Indem wir das Brot, also den Leib Jesu, durch die Straßen tragen. Am Ende ist das Fronleichnamsfest sowas wie ein Bild.“
„Wie jetzt?“
„Naja. Ein Bild, das uns an unsere Aufgabe erinnern will. Dass wir Christinnen und Christen eine echt gute Botschaft haben. Dass wir die in die Welt tragen sollen. Dass wir die Welt im Sinn von Jesus mitgestalten sollen. Dass wir ein Segen für die Welt sein sollen.“
„Boah. Da muss man ganz schön um die Ecke denken.“ wirft der Hund ein.
„Jepp. Ist eins der eher komplizierten Feste.“

„Du Carsten?“
„Ja, Phil?“
„Das ist ja alles ganz nett und schön. Ein bisschen begreife ich auch, was ihr da macht. Ich find’s immer noch schwurbelig; aber auch ein bisschen goldig. Ist Geschmacksache.“
„Kann man so sehen.“
„Sehe ich so.“

Ich warte ab. Der Blick des Hundes zeigt eindeutig, dass da noch was kommt.
„Ich find halt, dass ihr dringend überlegen müsstet, wie ihr eure Botschaft rüberbringt. Welche Zeichen oder Bilder oder Riten dabei den Menschen heute wirklich was sagen können. So ein Zeichen sollte doch direkt ins Herz gehen – und nicht erst mal den Verstand an seine Grenzen bringen.“

Ich nicke. Warte weiter ab.
„Und dann reicht es auch nicht, eurer Sprache und euren Zeichen ein Update zu geben. Am Ende schauen die Menschen doch drauf, wie ihr eure Message konkret umsetzt und lebt. Darauf, ob ihr wirklich ein Segen für die Welt seid. Ob ihr was zu sagen habt, das weiterbringt. Ich glaub… ihr habt ne Menge Hausaufgaben zu erledigen.“
„Haben wir“ stimme ich etwas bedröppelt zu.

„Hey. Kopf hoch.“ muntert der Vierbeiner mich auf. „Feier morgen dein Fronleichnam und hab Spaß dabei. Ist voll in Ordnung. Aber vergiss nicht, dass die Menschen da draußen sich nach Worten, Zeichen und Taten sehnen, die ihnen in ihrem Alltag weiterhelfen. Der Jesus. Der hat das kapiert und geschafft. Wenn ihr seine Freunde seid, werdet ihr das auch irgendwie hinkriegen…“

#gesprächemitphil

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