Dachschaden

„Hey! Ihr da! Was soll das? Kommt sofort runter! Aber flott! Sonst komm ich und hol Euch!“
Mit hoch aufgestellter Bürste steht der schwarze Hund im Vorgarten und schnauzt die Männer an, die auf den Dächern unserer Kita und unseres Pfarrheims rumturnen. Dabei hat er mal wieder vergessen, dass die meisten Menschen kein „hündisch“ sprechen. Auch die Handwerker nicht. Sie hören nur unverständliche Knurr- und Wufflaute und setzen ihre Arbeit unbeirrt fort.

„Sind die taub, oder was?“ wundert sich Phil. „Das ist doch total gefährlich, einfach so auf’m Dach rumzuhüpfen. Du solltest mal rübergehen und ein Machtwort sprechen!“
„Ist schon in Ordnung. Die dürfen das.“ entgegne ich.
„Wie jetzt? Du nickst das einfach so ab? Dass die auf EUREN Dächern rumklettern?“
„Klar. Wir bezahlen sie sogar dafür.“

Der Hund wirft mir einen beleidigten Blick zu und äfft mich nach „Wir bezahlen sie sogar dafür… Weißt du. Wenn ich auf irgendwelchen Felsen rumhüpfe bezahlst du mir nix. Nicht mal ein Leckerchen. Im Gegenteil. Ich krieg immer gleich nen Anpfiff und soll runterkommen. Weil’s angeblich sooo gefährlich ist. Unfair!“
„Ach Phil.“ versuche ich meinen Freund zu besänftigen. „Es ist schon ein Unterschied, ob du auf einem Felsvorsprung neben einem 20 Meter tiefen Abgrund rumkraxelst, oder ob die Dachdecker gut gesichert ihrer Arbeit nachgehen.“

„Dachdecker?“
„Ja. Das sind Menschen, die man ruft, wenn man nen Dachschaden hat. Wenn’s reinregnet oder wenn Ziegel kaputt sind. Die kommen dann, stellen ein Gerüst und reparieren das Dach. Das haben sie in Börrstadt an der Kirche gemacht, jetzt hier an der Kita und am Pfarrheim – und demnächst auch in Falkenstein an der Kirche.“
„Verstehe.“

Der schwarze Hund überlegt einen Moment. „Ihr habt echt viele Dachschäden.“
„Leider. Wir haben eben viele alte Dächer. Und die gehen im Lauf der Zeit nun mal kaputt.“
„Verstehe.“

Wieder überlegt Phil.
Schließlich setzt er einen schelmischen Blick auf.
„Was los?“ frage ich.
Er kichert.
„Sag schon. Was ist los?“

„Na… Ich hab so ne Idee.“
„Eine Idee?“
„Eine verdammt gut Idee“ kichert der Hund.
„Alter. Jetzt erzähl endlich…“

Phil räuspert sich und setzt ein ernstes Gesicht auf.
„Du hast doch eben gesagt, dass wenn einer einen Dachschaden hat, die Dachdecker kommen und das reparieren.“
„So hab ich das gesagt.“
„Warum schickt Ihr dann keine Dachdecker zu Putin. Oder zu Trump. Oder zu all den anderen machtgeilen Politikern, die völlig am Rad drehen. Die müssen doch einen gewaltigen Dachschaden haben. Oder?“

„Du bist so klug.“ Lächelnd verneige ich mich vor meinem Freund. „Dass wir Menschen da nicht von selbst draufgekommen sind.“
„Eben“ lächelt der Hund. „Stell dir mal vor, wohin überall man die Dachdecker schicken könnte. In die Politik. In die Gesellschaft. In die Kirche. In die Wirtschaft. Und und und. Die wären auf Jahre ausgebucht.“

„Ach Phil“ seufze ich. „Das könnte so einfach sein. Das Problem ist halt, dass die meisten Menschen ihren eigenen Dachschaden nicht wahrhaben wollen. Die tun so, als wär alles total dicht. Selbst wenn die halbe Welt um sie herum den Schaden klar und deutlich sehen kann.“

Phil schüttelt sich „Menschen… Ihr seid echt seltsam…“

#gesprächemitphil

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