Ausserirdisch

Ein Sonntag im März. Heute war das erste Treffen mit knapp 25 Jugendlichen, die sich auf die Firmung vorbereiten. Ich komme die Haustür rein, kraule dem Hund im Vorbeigehen die Öhrchen, ziehe die Schlunzklamotten an und lasse mich wortlos auf die Couch fallen.

„So schlimm?“ will Phil wissen.
„Nee. Nicht schlimm. Aber anstrengend irgendwie.“
„Waren sie etwa böse?“
„Überhaupt nicht. Die waren total nett.“
„Waren sie nervig?“
„Kein bisschen.“
Der Hund hüpft auf die Couch und durchbohrt mich mit fragenden Blicken.
„Ja aber. Warum bist du dann so fertig?“

„Stell Dir vor, es landen Außerirdische auf der Erde. Dort treffen sie auf Menschen und müssen erst mal checken, wie sie miteinander kommunizieren und so. Die kommen aus völlig unterschiedlichen Welten. Das ist dann halt anstrengend. Für beide Seiten.“
„Ahso. Verstehe.“ räuspert sich der schwarze Mischling. „Da sind 25 außerirdische Pubertiere im Pfarrheim gelandet und haben für Verwirrung gesorgt.“

Ich schüttle den Kopf. „Ich befürchte… es ist eher umgekehrt.“
„Häh?“
„Ich glaub, in dem Fall sind wir Kirchenleute die Außerirdischen.“
„Häh?“

„Überleg mal. Du bist ein junger Mensch. So ein ganz normaler Jugendlicher. Gehst in die Schule, hast einen Freundeskreis, Hobbys und so. Bist gerade mitten in einer krassen Lebensphase, in der die Hormone in deinem Körper Samba tanzen und alles irgendwie total spannend ist. Du träumst von der Zukunft und willst einfach nur ein richtig geiles Leben haben.“
„Jepp. Kann ich nachvollziehen.“ grinst Phil.
„Eben. Weil du gerade mal knapp aus der Pubertät raus bist.“
„Hey! Ich bin voll erwachsen!“ knurrt der Hund. Er springt von der Couch, schnappt sich sein Kuschel-Äffchen und legt sich wieder auf meine Beine.

„Wo waren wir?“ fragt er.
„Bei den ganz normalen Jugendlichen. Die bekommen eines Tages Post von der Kirche. Von diesem seltsamen Verein mit dem miesen Image…“
„Na DAS habt ihr euch selbst zuzuschreiben“ unterbricht mich Phil.
Ich nicke.

„Diese Kirchenleute laden dich zur Firmung ein. Du kannst dir nicht so viel drunter vorstellen, weil das womöglich der erste Kontakt seit deiner Erstkommunion ist. Aber aus irgendwelchen Gründen entscheidest du dich, dir das mal anzuschauen. Kann ja nix schaden.“
„Hmmm.“ Der Hund räuspert sich. „Du unterstellst also den Jugendlichen, dass sie in Sachen Glauben nicht wirklich interessiert sind?“
„Nein! Überhaupt nicht!“ sage ich und versuche zu erklären: „Ich nehm einfach ernst, dass die meisten Jugendlichen sich bei Kirchens nicht wirklich Zuhause fühlen. Ganz ohne Wertung. Wenn überhaupt liegt das zum guten Teil an uns. Weil wir es nicht geschafft haben, ihnen einen Ort anzubieten, der für sie passt. Ob und wie sie an Gott glauben, steht auf einem ganz anderen Blatt.“
„Okay. So passt das für mich“ nickt Phil.

„Die kommen also zum ersten Firmtreffen. Sind neugierig. Skeptisch. Vorsichtig verhalten und irgendwie total ausgebremst…“
„…weil es sich für sie so anfühlt, als stünden Außerirdische vor ihnen!“ bringt der Hund meinen Gedankengang zu Ende.
„Genau.“

Einen Moment lang schweigen wir. Ich nippe an der Espressotasse. Phil kaut auf dem Kuscheläffchen rum. „Und jetzt?“ will er wissen.
„Jetzt müssen wir mal schauen, ob wir die zwei Welten zusammenbringen. Schließlich sind WIR die Außerirdischen, die in das Leben der Jugendlichen reingeplatzt sind.“
„Habt ihr ihnen denn gesagt, dass ihr in Frieden kommt?“
„Ei klar doch. Als Zeichen der Ehrerbietung haben wir ihnen sogar Pizza dargebracht. Und Gummibärchen.“

„Guter Move. So als erster Schritt. Was noch?“
„Wir versuchen, ihnen möglich viele Erlebnissräume anzubieten. Die Jugendlichen entscheiden, wie intensiv und wie tief sie ins Thema einsteigen. Deshalb können sie aus einem bunten Blumenstrauß voller verschiedener Projekte auswählen. Manche davon sind eher sozial orientiert, andere mehr spirituell. Und am Ende entscheiden sie selbst, ob sie sich firmen lassen möchten. Ob sie noch tiefer einsteigen wollen.“

Phil lupft eine Augenbraue. „Ich hör sie schon motzen. Die Leute, denen das zu niederschwellig ist. Denen da zu wenig Katechismusunterricht drinsteckt.“
„Ach. Lass die doch schimpfen.“ sage ich. „Mir ist es lieber, wenn wir Türen öffnen und die Jugendlichen selbst entscheiden, welchen Weg sie gehen wollen, als sie zu irgendwas zu zwingen und am Schluss eher abzuschrecken. Glaube ist halt mal eine ganz private und intime Sache. Da sollten wir Außerirdischen achtsam sein und die Jugendlichen wirklich ernst nehmen.“

„Joah. Find ich ganz ok.“
„Nur ganz ok?“
„Naja. Am Ende kommt’s doch drauf an, ob ihr Außerirdischen und die Jugendlichen einen gemeinsamen Weg findet. Einen, der für alle passt. Der im besten Fall Spaß macht. Und Lust auf mehr. Bei dem sie spüren, dass Gott dabei ist. Und da… seid ihr gerade erst mal zwei Schritte gelaufen.“

Nachdenklich kraule ich den Kopf des Hundes. Und lächele.
„Weißt du. Es ist zwar anstrengend, wenn zwei Welten aufeinandertreffen. Aber auch total spannend. Könnte echt gut werden.“

Der schwarze Hund nickt. „Ach übrigens…“
„Ja?“
„Jetzt wo klar ist, dass du ein Außerirdischer bist… ein ALF… lass uns raus gehen und ne Katze jagen.“
„Phil!“
„War ja nur ne Idee…“

#gesprächemitphil

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