Ungeduldig beobachtet Phil, wie ich durch die Wohnung wusele und mich nach und nach im winterlichen Zwiebellook einmummele. Draußen sind es minus sieben Grad. Nachdem mir gestern Mittag bei minus 2 Grad schon fast die Finger abgefroren sind, will ich heute auf Nummer sicher gehen. „Beeil dich! Ich hab Druck auf’m Kessel“ ruft er mir zu. „Moment noch. Ich find die dämliche Wollmütze n… aah… da ist sie ja.“
Dick eingepackt stehe ich vor dem schwarzen Hund, der mich grinsend mustert. „Tja. Ich sag nur Winterfell. Du Nacktmull, du. Können wir jetzt endlich losgehen, kleines Michelinmännchen?“ Ich ignoriere die spöttischen Spitzen. Wird halt nicht jeder mit nem Pelzmantel geboren…
Wir ziehen los. Die übliche Morgenrunde. Die Straße hoch, am Friedhof vorbei Richtung Schützenhaus. Zurück durch den Park. Trotz der vielen Kleidungsschichten lässt mich die Kälte frösteln. Meinem tierischen Begleiter scheint das nichts auszumachen. Er wieselt von Busch zu Busch, schnuppert hier und da und hinterlässt dampfende Markierungen auf dem gefrorenen Grün. Der Hund lässt sich Zeit. Viel Zeit.
„Sag mal, warum brauchst du immer so elend lange?“ will ich wissen.
„Das fragt genau der Richtige“ kommentiert Phil trocken.
„Häh? Wieso?“
„Na ganz einfach. Du hockst den halben Tag am Computer, hängst am Telefon, gehst in Meetings, triffst dich mit Leuten oder tippst WhatsAppse in dein Smartphone.“
„Ja und?“
„Wie nennst du das nochmal?“
„Arbeiten. Und Netzwerken.“
„Siehste. Ich mach genau das Gleiche. Nur halt auf hündisch.“
„Schau mal“ sagt Phil. „Hier dieser Ast zum Beispiel.“
Der kleine Hund steht vor einem Busch, schließt die Augen und schnuppert einige Sekunden. Dann beginnt er zu erzählen. „Eine Hündin. Zwei… Moment…“ Er nimmt noch einen Atemzug „Nein. Knapp drei Jahre alt. Retrieverin oder so.“ Noch ein intensives Schnuppern. „Sie schreibt ‘Hallo Ihr Lieben. Tolle Runde heute. Mir geht’s gut. Gestern gab’s Hühnchen zum Abendessen. Lasst mir ein Like da. Freue mich auf neue Bekanntschaften. LG Frieda.‘“
Phil schaut mich wissend an, hebt sein linkes Hinterbein und pinkelt über den Ast.
„Und was soll das jetzt?“ hake ich nach.
„Jetzt hab ich den Post von Frieda geliked und nen Kommentar hinterlassen. Wer weiß. Vielleicht sieht man sich ja mal.“
„Und so macht ihr Hunde Social-Networking?“
„Social-Dogworking bitte. Soviel Zeit muss sein“ korrigiert Phil.
Wir ziehen weiter. Scheint ganz schön viel los zu sein hier. Alle paar Meter bleibt der Hund stehen, „liest“ Nachrichten, gibt Likes und kommentiert. „Willste auch mal Lesen“ lädt er mich ein, als wir vor einem stattlichen Hundehaufen stehen. „Danke. Heute nicht.“ schüttele ich mich angeekelt. „Lohnt sich auch nicht. Ist von nem Rüden. Voll der Angeber. Eingebildeter Stinkstiefel.“ „Na dann…“.
Am nächsten Busch bleibt Phil wie angewurzelt stehen. Seine Nackenhaare sträuben sich. Ein tiefes Grollen aus der Kehle. „Kampfhund?“ frage ich. „Nee. Eichhörnchen.“ knurrt der 40-Kilo-Hund. „Oha. Bestimmt wieder eins von diesen gefährlichen Teenage-Mutant-Ninja-Eichhörnchen“ ziehe ich ihn auf. „Hey. Mach dich nicht über mich lustig.“ beschwert sich der Vierbeiner. „Vielleicht sind Eichhörnchen ja wirklich gefährlich. Außerdem lachen die immer so fies, wenn sie oben auf ihrem Ast sitzen.“ „Jaja…“.
Ein paar hundert Meter später sind wir Zuhause. Phil verschlingt sein Frühstück und lässt sich erschöpft auf seine Bürodecke fallen. „Uff. Bin ich platt. War echt viel los heute…“ sagt er noch, bevor er wohlig zu Schnarchen beginnt.
„Ach Phil. Ich kann dich verstehen.“ flüstere ich leise. „Dieses ganze Netzwerken ist manchmal schon kräftezehrend.“ Ich nehme einen Schluck Kaffee und schalte den Computer an…
#gesprächemitphil