Ja. Das ist Kunst.

„Was wird denn DAS jetzt schon wieder?“
Völlig entgeistert steht der kleine Hund im frühmorgendlichen Schneetreiben und beobachtet mich kopfschüttelnd.
„Was wird was?“
„Das! Du läufst im Kreis rum wie ein Pinguin und kicherst dabei vor dich hin.“
„Ahso. Moment“ murmele ich, gehe eine letzte Runde, hüpfe drei mal in die Mitte des Kreises und dann wieder raus. Stolz präsentiere ich mein Werk. „Guck.“

Phil stellt sich an meine Seite und betrachtet das Bild, das meine Füße in die weiße Schneedecke des Friedhofsparkplatzes gezeichnet haben.
„Aha.“
„Wie? Aha. Ist das alles?“
„Naja. Hast nen Riesen-Smiley gemalt. Fein gemacht. Willste ’n Leckerchen?“
„Ey. Ich bin doch kein Hund“ beschwere ich mich.
„Aber ich?!“

Ich ignoriere den ironischen Unterton meines vierbeinigen Freundes.
„Jetzt mal im Ernst“ hakt dieser nach. „Ist das Kunst? Oder kann das weg?“
„Hmmm.“ Ich gehe einen Schritt zurück, um den Schnee-Smiley in seiner ganzen Pracht und Schönheit zu sehen. „Für mich… ist das Kunst.“

Irritiert wandert Phil’s Blick zwischen Smiley und Herrchen hin und her.
„Damit wirst du vermutlich kaum reich werden. Und überhaupt. In der nächsten Stunde wird dein Werk eh nicht mehr da sein. Entweder wird’s überschneit. Oder es fahren Autos drüber. Oder es latschen Menschen drüber und zerstören es.“
„Ist mir schon klar. Aber jetzt. Jetzt ist es da.“

Noch einmal betrachtet der kleine Hund Kunstwerk und Schöpfer.
„Naive Kunst. Kindliche Malerei. Soll Leute geben, denen so was gefällt. Ist ja auch irgendwie ganz süß.“
„Ganz süß?“ Einen Moment überlege ich. „Okay. Ich nehm das mal als Kompliment. Danke Dir.“
Wir ziehen weiter.

Auf dem Rückweg sehen wir aus der Ferne einen Spaziergänger. Er ist einen Moment lang stehengeblieben und betrachtet lächelnd den Schneesmiley auf dem Parkplatz.

„Siehste.“ freue ich mich. „Mein Kunstwerk hat dem Mann ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Warum auch immer. Wie auch immer sein Tag heute noch aussehen wird: Es war ein Tag mit einem Lächeln. Das war’s doch wert, oder?“

Als wir am Kunstwerk ankommen, bleiben wir noch einmal stehen.
Die Konturen beginnen schon langsam zu verschwimmen, so sehr schneit es.
Phil lächelt.
Ich auch.

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