Endlich am Meer

Es soll Menschen geben, die Hunde für einfältig halten. Für haarende, sabbernde und nervig kläffende Wesen, von denen man besser Abstand hält. Ich sag’s mal so: Stimmt. Hunde haaren. Manche sabbern gerne und viel, andere weniger. Hin und wieder kläffen sie auch nervig. Ich leg sogar noch einen drauf: Sie kosten eine Menge Geld, Zeit und Nerven.

Andererseits gibt es auch menschliche Zeitgenossen, die dich um den Verstand bringen. Die ohne Sinn und Verstand rumkläffen und manchmal sogar Kriege anzetteln. Letzteres hab ich von einem Hund noch nie gehört. Ernsthaft: Ich hab lieber einen Hund mit erhöhtem Speichelfluss im Haus; Einen, dem ich ständig hinterhersaugen muss und der meine Nerven etwas strapaziert, als einen glattgebügelten Nazi im Schafspelz.

Jetzt, wo wir das geklärt haben, zurück zur Sache mit der Einfältigkeit: Mag sein, dass Hunde einen etwas geringeren IQ haben als Einstein. Aber sind sie einfältig? Dumm? Nein. Kann ich nicht bestätigen. Im Gegenteil. Sie sind hoch sensible Geschöpfe mit einer äußerst feinen Antenne für die Welt und uns – ihre Freunde. Und hier… beginnt die folgende Geschichte.

Jedes Mal, wenn der nächste Urlaub ansteht, weiß Phil spätestens am Tag davor, dass bald ein neues Abenteuer beginnt. Aufmerksam registriert er mein Gewusel beim Planen und Packen. „Oha. Carsten belädt das Auto“ denkt er sich und springt schon mal vorsichtshalber in den Kofferraum, damit er ja nicht alleine zurück bleibt. Am Abreisetag weigert er sich, wieder auszusteigen. „Leute“ sagt er „beeilt Euch. Ich will endlich losdüsen. Und vergesst ja nicht meine Leckerchen. Ich beobachte euch!“

Dann geht es endlich los. Hunderte von Kilometern. Quer durch’s Land. Einmal durch Belgien und Holland bis hoch an die Nordküste. „Yeah! Es geht wieder nach Texel“ ruft Phil und genießt die 20minütige Reise mit der Fähre. Am Ziel angekommen sprintet er aus dem Auto in die Ferienwohnung. Er weiß, dass Sander und Dione, unsere Vermieter*innen, dort ein Leckerchen für ihn deponiert haben. Das haben sie schon letztes Jahr gemacht. Phil erinnert sich genau – und ist überglücklich.

Am nächsten Morgen machen wir uns auf den Weg an den Strand. Der kleine Hund ist total aufgeregt. Auf dem Weg durch die Dünen rennt er hin und her und wartet darauf, endlich das Meer zu sehen. Als es soweit ist, sieht man ihm die Anspannung und Energie förmlich an. Er weiß: Jetzt folgt DAS RITUAL.

Oben auf dem Dünenkamm schicke ich ihn ins „Sitz“ und gehe alleine den Weg hinunter an den Strand. Mit Adleraugen blickt mir Phil hinterher und wartet. Nichts und niemand kann ihn jetzt noch ablenken. Seine Muskeln sind angespannt, seine Nase schnuppert die salzige Brise.

„Okay“ rufe ich – und der Hund rennt los.

Nein. Er rennt nicht. Er fliegt förmlich die Düne hinunter, fegt einmal quer über den Strand und landet mit einem großen Satz in der Brandung.

„Endlich am Meer!“ jubelt er – und ist: Einfach nur glücklich.

#gesprächemitphil

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