Der Jesus braucht kein Krönchen

„Alter. Du nervst!“
„Was denn?“ frag ich den Hund, der mir strafende Blicke von seinem Deckchen aus zuwirft. „Ich mach doch nix.“ „Doch! Du sitzt schon den halben Morgen an deinem Computer und summst Weihnachtslieder. Noch eins und ich beiß dich. Ich schwör!“

Natürlich würde Phil mich nie beißen. Höchstens ein bisschen anknabbern. Das wissen wir beide. Trotzdem runzle ich die Stirn und merke, dass ich tatsächlich die ganze Zeit vor mich hinsumme. War mir gar nicht bewusst. Mit einem „Sorry“ entschuldige ich mich und wende mich wieder der Tastatur zu.

„CARSTEN!“ knurrt es keine fünf Minuten später aus der Hundekehle. Erwischt.
„Das war jetzt aber kein Weihnachtslied“ verteidige ich mich. „Was war’s dann?“
„Macht weit die Pforten in den Welt! Ein König ist’s der Einzug hält…“ singe ich vor.
„Du solltest es beim Schreiben belassen. Singen ist nicht so dein Ding.“ teilt Phil mit und versucht, sich mit den Pfoten die Ohren zuzuhalten. Klappt nicht wirklich, sieht aber süß aus.

„Das ist doch auch ein Weihnachtslied“ stellt er fest. „Ja. Passt schon. Aber heute ist es ein Christkönigslied.“ „Christ-Was?“ „Christkönig. Das feiern wir am Sonntag in der Kirche.“

Phil hockt da und grübelt. „König? Du meinst so einen mit ner Krone auf’m Kopf und nem roten Umhang. Der auf seinem Thron hockt und einen auf großen Macker macht?“ Jetzt ist es an mir, zu grübeln. „Tatsächlich gibt’s ziemlich viele Bilder, die Jesus genau so darstellen.“ sage ich. „Fand ich schon immer etwas schräg.“

„Ist er denn kein König?“ hakt der wissbegierige Hund nach.
„Schon irgendwie“ versuche ich zu erklären. „Als Pilatus ihn fragt, ob er ein König sei, sagt Jesus ‚Ja, ich bin ein König‘. Und am Kreuz haben ihm die Soldaten eine Dornenkrone gebastelt und einen roten Mantel umgelegt…“
„Hmmm. Klingt jetzt weniger majestätisch“ stellt Phil fest.
„Eben.“ sag ich. „Wir Menschen haben einfach verschiedene Vorstellungen davon, wie ein König aussieht und wie er sein sollte.“
Der Hund wirft mir einen fragenden Blick zu.

„Schau mal. Meistens stellen wir uns einen König als einen mächtigen Herrscher mit Goldkrone, Zepter und Thron vor. Ich glaub, Jesus hat da was Anderes gemeint.“
„Du meinst, Jesus war nicht so der Krönchen-Typ?“
„Genau. Am Sonntag in der Kirche sagt Jesus zwar auch, dass er ein König ist. Aber einer, der bei den Durstigen, den Hungrigen, den Nackten, den Kranken und den Jungs im Knast war. Ganz ohne Krönchen. Nicht von oben herab und majestätisch – sondern mehr auf Augenhöhe. Bei denen, die’s wirklich nicht leicht haben.“

Scheinbar war das etwas viel Input für den kleinen Hund. Er schaut mich kurz an, gähnt und rollt sich auf seiner Decke ein. Ich hole mir einen Kaffee und arbeite weiter.

Am Nachmittag sind wir im Wald unterwegs. Wie immer halten wir oben auf dem Berg kurz an und genießen die Aussicht. 

„Du, Carsten?“ „Ja, Phil?“
„Ich find’s irgendwie schon majestätisch.“
„Die Aussicht?“ 
„Die auch. Ich mein aber den Jesus.“
„Wie?“
„Na, wenn der bei den Leuten ist, denen es schlecht geht, ist er ein echt cooler König. Der braucht kein Krönchen.“

Ich nicke bestätigend, lege den Arm um Phils Schultern und bin mächtig stolz auf meinen tierischen Weggefährten. „Macht weit die Pforten in der Welt…“ beginne ich zu singen. Der Hund verdreht die Augen. „Alter. Halt doch einfach mal die Klappe und hör dem Wald zu. Der singt nämlich auch von deinem König.“

#gesprächemitphil

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