Nachsitzen! Eine Standpauke.

Zum Beginn der Frühjahrs-Vollversammlung der Bischofskonferenz hat der apostolische Nuntius, Nikola Eterovic, ein Grußwort geschrieben. Wobei das eine recht euphemistische Umschreibung für die Wendung eine Standpauke halten ist. Denn der gesamte Brief ist geprägt von einem belehrenden Duktus und beginnt mit einer umfassenden Erinnerung daran, man möge doch bitte auf den „Papa“, den Papst hören.

Als Beispiel der Orientierung wird auf den verstorbenen Papst Benedikt XVI und dessen beeindruckendes theologisches Werk verwiesen. An ihm könne man sich orientieren, um sich nicht „von vieldeutigen und fremden Lehren irreführen“ zu lassen (Hebr 13,9). Ausgeklammert wird dabei, dass das Verhalten dieses „Papa“ im Kontext des vielfältigen Missbrauchs durchaus ambivalent gesehen werden darf und wird. Hier wäre Raum für die Rückfrage, ob man sich denn in allem an einem Menschen orientieren muss, welcher (Papst hin oder her) auch Schattenseiten hat und möglicherweise sogar gravierende Fehler begangen hat…

An die ausführliche Einleitung schließt sich gleich ein zweiter Wink mit dem Zaunpfahl an: Der Nuntius erinnert daran, dass es im Kontext des Ad-limina-Besuchs 2022 bereits deutliche Ermahnungen an die Schuljungen Bischöfe gab, mit dem Ziel, sie wieder sauber einzunorden.

Eterovic beschreibt zunächst drei Dimensionen der Kirche nach Papst Franziskus, welche dieser in einem Interview mit der Zeitschrift „American Magazine“ benannt hat.

Papst Franziskus unterscheidet dort zwischen dem Petrinischen, dem Marianischen und dem Administrativen Prinzip der Kirche. Ersteres stehe für das Amt in der Kirche und biete keinerlei Raum für Frauen. Diese hätten ihren Ort im (theologisch noch weiter zu entwickelnden) marianischen Prinzip der Kirche. Das sei auch gut so, denn dieses, so Franziskus, sei viel wichtiger als das petrinische. Die logische (?) Argumentationslinie ist: „Frauen beschweren sich zu Unrecht, weil ihnen ja ein viel wichtigerer und würdevollerer Ort in der Kirche zusteht, als jener schnöde Platz des Weihe- und Leitungsamtes.“ Immerhin sei noch etwas Platz für sie im dritten, im administrativen Prinzip der Kirche. Da es hier nur um die ganz normale Verwaltung gehe, können und sollten Frauen sich vermehrt einbringen. Schließlich, auch das muss der Heilige Vater feststellen, „funktionieren alle Orte (im Vatikan), an denen wir Frauen berufen haben“, besser (sic!).

Die päpstliche Umschreibung der drei Dimensionen der Kirche hinterlässt einen äußerst faden Beigeschmack. Hierzu muss ich etwas ausholen:

Bereits in den ersten Semestern des Theologiestudiums und der biblischen Exegese lernen Studierende, dass BILDER (die Bibel ist voll davon) keine Tatsachenbeschreibungen sind, welche man eins zu eins umsetzen kann. Vielmehr fordern biblische Bilder dazu heraus, nach Hintergründen zu fragen, sie im Kontext der Zeichen der Zeit zu deuten und ins praktische Leben der Kirche zu übersetzen.

Papst Franziskus bringt hier ein Triptychon – ein Bild mit drei Facetten – ins Spiel: Das Petrinische, das Marianische und das Administrative. Ein Dreierbild, welches grundsätzlich spannend und theologisch bedenkenswert ist. Denn Bilder wie dieses können durchaus helfen – solange sich alle Beteiligten darüber bewusst sind, dass Bilder immer auch ihre Grenzen haben und letztlich nur Deutungswerkzeuge sind.

Kann es sein, das Papst Franziskus hierbei einen (unbewussten oder bewussten) Denkfehler macht, indem er die Bilder, welche er verwendet, stark reduziert und vereinfacht?

Er spricht über Petrus und Maria / das petrinische und das marianische Prinzip und verkürzt diese auf das biologische Geschlecht der beispielhaft verwendeten Protagonisten. Hier wäre z.B. nachzufragen, ob Jesus Petrus wirklich aufgrund seiner Ausstattung mit Penis und Hodensack in seine Nachfolge gerufen hat. Oder ob es Jesus dabei nicht eher um den GANZEN Menschen Petrus ging – um mehr, als sein biologisches Geschlecht? Weiterhin, ob es legitim ist, Maria darauf zu reduzieren, dass sie mit Vulva und Gebärmutter ausgestattet ist. Oder ob Maria als Bild für die Kirche MEHR sein darf (und sollte) als ihr biologisches Geschlecht?

Papst Franziskus plädiert ausdrücklich für eine theologische Vertiefung der genannten Prinzipien. Gehört es dann nicht auch dazu, tiefer zu gehen als unter die Gürtellinie? Zu fragen, inwiefern Petrus und Maria als Menschen (!) uns inspirieren und anleiten können? Zu fragen, was Frauen UND Männer von Petrus UND Maria lernen und in kirchliche Dienste und Ämter einbringen können und müssen? Zu fragen, ob Gott vielleicht Frauen und Männer in ALLE Dienste, Ämter und Bereiche der Kirche beruft, WEIL hierdurch sowohl das petrinische als auch das marianische Prinzip überall aufleuchten können?

Kurzum: Die von Papst Franziskus angeführten Bilder können und sollten gerne diskutiert, bedacht und vertieft werden. Möglicherweise sind sie hilfreich und weiterführend. Die Verkürzung der Bilder und die aus ihr hervorgehenden ebenfalls verkürzten Folgerungen jedoch zeugt eher von nicht zu Ende gedachtem theologischen Handwerk. Für viele Frauen (vermute ich als Mann) mag es sich zudem wie eine bitter-sarkastisch-paternalistische Schutzbehauptung anfühlen, wenn man ihnen sagt „Ihr seid doch viel zu wichtig, als dass Ihr ein Leitungs- und Weiheamt in der Kirche wahrnehmen könntet.“

In einem letzten Kapitel schiebt Nuntius Eterovic dem geplanten Synodalen Rat einen Riegel vor, indem er mitteilt, dass weder eine Bischofskonferenz noch ein einzelner Bischof die Kompetenz haben, einen solchen Rat auf irgendeiner Ebene zu errichten. Man möge doch (um weitere Bürokratie zu vermeiden) lieber die bereits bestehenden Gremien in einem „synodalen Geist beleben“. Eine schlüssige Begründung, warum es Bischöfen verweigert wird, ihre Vollmacht (in von ihnen vollmächtig und frei gewählten Formen) geschwisterlich auszuüben, fehlt. Es bleibt bei der kurzen und knappen Ansage.

Das Grußwort schließt mit einer Mahnung zur kirchlichen Einheit, welcher Eterovic als Gegenpol den aktuellen Krieg entgegenstellt. Warum der Nuntius ausgerechnet dieses Bild und mögliche Implikationen ins Spiel bringt, bleibt mir, wie so vieles im „Grußwort“ ein Rätsel.

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