Ein krasser Widerspruch
Schon seit Langem hinterfragen Christ*innen weltweit die Sexualmoral der Kirche – und stellen fest: Da ist ein krasser Widerspruch zwischen unserem Glauben und unserem Reden und Handeln!
Wie kann das sein?
Wir glauben an einen Gott, der unbedingt und grenzenlos liebt. Der uns Menschen mit der Fähigkeit zu lieben ausgestattet hat. In einer weiten Bandbreite von freundschaftlicher Zuneigung über gelebte Nächstenliebe bis hin zur intimen partnerschaftlichen Liebe. Um das zu unterstreichen, hat er uns das wunderbare Geschenk der Sexualität gemacht und unsere Körper mit den entsprechenden praktischen „Vorrichtungen“ ausgestattet. Offensichtlich steht zumindest Gott voll und ganz hinter seiner Idee einer Menschheit, die sich von der Liebe als zentralem Gestaltungsprinzip dieser Welt leiten lässt – und sich dabei in letzter Konsequenz auch voll und ganz (mit Haut und Haaren) hingeben, genießen und Lust empfinden soll und kann.
Unser Moralkodex und unser Handeln sprechen eine ganz andere Sprache. Hier nur ein paar Beispiele…
Über lange Zeiträume hinweg galt gelebte Sexualität als schmutzig, anrüchig, sündenbehaftet. Selbst Ehepaare (!) wurden angehalten, möglichst nur zur Produktion von Nachkommen miteinander zu schlafen. Von diesem Bild haben wir uns weitgehend verabschiedet. Weitgehend. Fast. Eigentlich doch nicht: Denn wenn z.B. ein Mensch aus der „Norm“ fällt und nicht-heterosexuell liebt, gelten mehr oder weniger die alten Vorbehalte. Da ist Gott wohl irgendwie ein kleiner „Unfall“ passiert. Das sagen wir natürlich nicht so, denn das könnte rechtlich schwierig werden. Stattdessen wählen wir sanftmütige Worte und legen den Betroffenen ans Herz, sie mögen doch bitte auf partnerschaftliche Liebe verzichten. Lebenslang. Ist halt dumm gelaufen. Eure Berufung ist es eben, „anders“ zu lieben. Ihr seid ganz toll. Und wenn Ihr dabei zerbrecht und tiefe Wunden davon tragt, sind wir natürlich für Euch da, um Euch zu trösten.
Ach – und wenn eine*r Jesus ganz konsequent folgen möchte, möge er / sie doch bitte auch auf gelebte Sexualität verzichten und enthaltsam, zölibatär leben. Natürlich verweigern wir uns der Unterstellung, zölibatär lebende Menschen seien die besseren Christ*innen. Das nicht. Aber irgendwie entsprechen sie dann halt doch einem Ideal, zu dem nicht alle fähig und berufen sind.
Kurz und knapp: Es passt nicht zusammen. Unser Glaube an Gott – und unser Reden und Handeln.
Spätestens die MHG-Studie unterfüttert diesen Verdacht mit Fakten: Die bisherige und aktuelle Sexualmoral unserer Kirche unterstützt systemische und strukturelle Umstände, unter denen sexueller, spiritueller und Macht-Missbrauch ermöglicht werden. Umstände, unter denen Menschen ausgeschlossen, gedemütigt und verletzt werden.
Im Rahmen der vierten Versammlung des synodalen Weges wurden mit dem Dokument „Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“ konkrete Vorschläge gemacht, diesen Widerspruch zu lösen und eine katholische Sexualmoral zu etablieren, in der unser Glaube und unser Reden und Tun zusammenkommen. Über 82% der teilnehmenden Christ*innen stehen hinter diesem Anliegen. Etwas mehr als ein Drittel der anwesenden Bischöfe haben dagegen gestimmt. Das Dokument wurde abgelehnt. Eine Minderheit der Amtsträger hat ein Machtwort gesprochen: „Lieber lassen wir es zu, dass Menschen verletzt und ausgegrenzt werden und sich aus der Gemeinschaft der Christ*innen verabschieden, als dass wir unsere Sexualmoral überprüfen und so anpassen, dass sie sowohl biblische als auch theologische und naturwissenschaftliche Ansprüche zusammenbringt und sich entsprechend weiterentwickelt.
Und jetzt?
Eigentlich wollte ich hier nur einen kurzen (!) Post absetzen und Euch mitteilen, dass ich unter allen, die diesen Post bei Facebook oder Instagram mit dem Hashtag #rettetdiedinos kommentieren, einen Original-Messerschnitt von Martin Glomm verlose.
Dabei bleibt’s dann nur fast. Denn die Geschehnisse bei der Synodalversammlung lassen mich nicht los. Gehirn und Herz rattern unaufhörlich und fragen sich wieder einmal leise hoffend, ob es uns gelingen wird, die Dinos zu zähmen und an einer Kirche mitzubauen, die Menschen aufbaut, stärkt und in die Freiheit der Kinder Gottes begleiten kann…
Ein paar (sicher nur bruchstückhafte) Gedanken dazu erzähle ich Euch gerne bei einer der Lesungen aus meinem Buch: „Die Dinos dachten auch, sie hätten noch Zeit. Kirche muss sich endlich ändern“.