Am Sonntag war Jugendvesper im Speyerer Dom. Wir haben uns gefragt, in welchem „Tempo“ Jesus durchs Leben unterwegs war.
Im Grunde war er ja ständig auf Achse. Da das Streckennetz der öffentlichen Verkehrsmittel zu seiner Zeit eher dürftig ausgebaut war, meistens per Pedes. Also langsam. Sehr langsam. Auch die Dichte der Businesshotels für Geschäftsreisende war Seinerzeit nicht so berauschend. Also hat er in einfachen Herbergen gepennt, ab und an unter freiem Himmel genächtigt oder ist als Couchsurfer bei gastfreundlichen Leuten untergekommen.
Er war „Jesus, der Entschleunigte“. Immer unterwegs, selten gehetzt. Er hat sich Zeit genommen für den Weg und ist dabei jeder Menge Menschen begegnet: Schillernden Gestalten, lustigen Typen, hohen Würdenträgern, einfachen Arbeitern, freundlichen und auch ablehnenden Zeitgenossen.
Bei all den abenteuerlichen Begegnungen muss er gewirkt haben, wie einer, der unendlich viel Zeit mitbringt. Es ging ihm nicht drum, möglichst schnell wieder aus einem Ort wegzukommen. Er ist geblieben, hat die Leute am Dorfplatz, bei Partys und in der Synagoge kennengelernt und ihnen von seiner Botschaft erzählt. All das, ohne gehetzt zu wirken.
Er hat seine Meinung klar und deutlich vertreten und dabei auch unmissverständliche Worte gebraucht. Aber er hat niemanden unter Druck gesetzt. Niemandem etwas übergestülpt oder aufgezwungen. Er wusste: Wenn sich jemand für Gott entscheidet, dann nur aus freiem Willen.
Jesus war ein Liebhaber langer und intensiver nächtlicher Diskussionen. Menschen, die mitdenken waren ihm eindeutig sympathischer als Trittbrettfahrer.
Vor allem war er (hab‘ ich das schon gesagt?) der „Entschleunigte“. Mit genügend Zeit für alles und für Jeden. Der Moment war ihm wichtig. Wenn er gefeiert hat, hat er gefeiert. Wenn er unterwegs war, war er unterwegs. Wenn er zugehört hat, hat er zugehört. Und wenn er eine Auszeit für sich und seine Jünger brauchte, hat er sie sich genommen.
Ich beneide Jesus um seinen Lebensstil. Denn mir gelingt das nur selten. Meistens schreibt mir der Kalender mein Lebenstempo vor.
Aber manchmal – manchmal fahre ich Bahn. Wie jetzt gerade: Ich sitze im Zug und habe Zeit, diese Zeilen zu schreiben. Der Bahn ist mein Kalender egal. Nicht etwa, weil sie gemein ist. Im Gegenteil: Sie hat beschlossen, mir heute etwas Zeit zu schenken. Andere nennen es „gigantische Verspätung“. Ich nenne es „Entschleunigung“.
Darum liebe ich die Bahn. Danke 😉
3 Antworten zu “Warum ich die Bahn liebe…”
In Zeiten des multitasking ist eine Entschleunigung immer wichtiger. Der ständige Stress macht die Menschen eh nur krank. Damit Gott durchscheint, muss man auch hören können und sich Zeit nehmen und Zeit haben. Schade, dass der Chef da oben so oft einfach untergeht.
Die kürzeste Definition von Religion: Unterbrechung
(Johann Baptist Metz)
Ich frage mich ja, ob die Zeitgenossen Jesu ihn auch als ‚entschleunigt‘ empfunden haben. Vielleicht lebte er auch einfach nur im Tempo seiner Zeit?